Völlig mittellos kehrte Ré Soupault nach Ende des Zweiten Weltkriegs aus dem Exil in New York nach Europa zurück, lebte und arbeitete von 1948 bis 1958 in Basel. Sie musste sich neu erfinden, musste für ihren Lebensunterhalt sorgen und war neben ihrer Tätigkeit als Übersetzerin auf der Suche nach einer gestalterischen Arbeit, die ihren geistigen Interessen entsprach. Da ihr Mann Philippe Soupault Ende der 1930er Jahre im Auftrag von Léon Blum, dem damaligen französischen Premierminister, den französisch-arabischen Sender Radio Tunis aufgebaut hatte (Tunesien war zu der Zeit ein französisches Protektorat), war ihr der Rundfunk vertraut. Ausgehend vom Kontakt zu Dr. Paul Meyer von Radio Basel verfasste sie für den Sender sowie fast alle deutschen Rundfunkanstalten bis in die späten 1980er Jahre über fünfzig Radio-Essays. 1951 übersetzte sie für den Süddeutschen Rundfunk (SDR) in Stuttgart Romain Rollands Drama »Jeanne de Piennes«, das als Hörspiel gesendet wurde und noch heute in der Mediathek des SWR abrufbar ist.
Die Themen schlug sie meist selbst vor, wobei sie sich mit Historischem und Aktuellem gleichermaßen beschäftigte: westliche und östliche Philosophien, die Emanzipation der Frau, Freiheitsideale, Portraits von Schriftstellern aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Als Märchen-Spezialistin - ihre Märchensammlungen erschienen im Diederichs Verlag - schrieb sie beispielsweise auch einen Text über die Märchen der Kelten. Alle ihre Essays zeichnen sich durch fundierte Recherchen und inhaltliche Klarheit aus. Sie haben an Aktualität nichts eingebüßt.
Nach »Geistige Brücken« (2021) versammelt dieser Band weitere Radio-Essays, enthält aber auch Texte aus dem Nachlass, die noch nicht veröffentlicht wurden.