Sind wir wirklich miteinander verbunden? Oder glauben wir das nur?
Eine kaum überschaubare Menge Figuren tritt in Ulrike Anna Bleiers Roman auf, sie agieren miteinander und oft auch aneinander vorbei. Ihre Wege kreuzen sich oder driften auseinander wie Parallelen auf einer gekrümmten Fläche.
Da ist zum Beispiel Carol, die in einem Einkaufszentrum in einen Amoklauf gerät. Oder Irma, die in einer Zeitungsredaktion arbeitet und Angst davor hat, ihren Job zu verlieren. Selim, der für seine Schwester Modell steht. Lars, der sich nur lebendig fühlt, wenn er bei Verabredungen nicht erscheint. Oder Silvana, die auf der Straße häkelt und Teil der Instagram-Aktion einer ehrgeizigen Museumspädagogin wird. Bleiers Figuren halten sich in Einkaufszentren, auf Autobahnen oder in Krankenhäusern auf und sind vor allem mit dem Alltag beschäftigt. Erzählerin ist dabei die Welt selbst. Sie hat keine Hauptfigur und keine Hierarchie der Ereignisse.
Ulrike Anna Bleier hat für "Spukhafte Fernwirkung" ein völlig neues Konzept des Erzählens und Lesens entwickelt. Sie verzichtet auf ein einheitliches dramaturgisches Gerüst. Die Ereignisse erscheinen zufällig und beeinflussen sich doch gegenseitig. Das Erzählen in kurzen Episoden, das Ulrike Anna Bleier bereits in ihren beiden Vorgängerromanen praktiziert hat, wird in "Spukhafte Fernwirkung" auf die Spitze getrieben. Die Anordnung der Texte in den einzelnen Kapiteln folgt keiner starren Chronologie, sondern Konzepten wie Livetickern, Kilometerangaben, Jahreszahlen oder Blutdruckwerten. Wie lose Teile in einem Einkaufsbeutel stehen die einzelnen Episoden in einem Zusammenhang - oder auch nicht. Den Leser:innen ist es selbst überlassen, die vielen Verbindungen zu entdecken und die Fäden miteinander zu verknüpfen, das erzeugt Interaktion und Spannung. Der Text besticht außerdem durch Ulrike Anna Bleiers sehr eigene Sprache, ihr lakonisches Erzählen und ihren unterschwelligen Humor.