»Ich heiße Sylvie Meyer. Ich bin dreiundfu?nfzig Jahre alt. Ich bin Mutter zweier Kinder. Ich lebe seit einem Jahr von meinem Mann getrennt. Ich arbeite bei Cagex, einem Gummiunternehmen. Ich leite die Personalentwicklung. Ich bin nicht vorbestraft.«
Sylvie Meyer ist eine einfache, starke Frau mit klaren Grundsätzen, und eine Arbeiterin, auf die man sich verlassen kann. Als ihr Mann sie verließ, sagte sie nichts, weinte nicht. Sie machte weiter wie zuvor. Ku?mmerte sich um ihre beiden Söhne im Teenageralter. Versuchte nachts ein Bett auszufu?llen, das zu groß fu?r sie geworden war. Auch als ihr Chef Victor Andrieu sie neuerdings zwingt, die anderen Arbeiterinnen, ihre »Bienen«, heimlich zu u?berwachen, fu?gt sie sich. Sylvie will kein Opfer sein. Sie erstellt Kriterien und Listen fu?r zuku?nftige Entlassungen. Wieder handelt sie, wie von ihr erwartet, jedoch gegen ihr moralisches Empfinden.
Bis zu jenem Tag im November als die Ungerechtigkeit, die Gewalt der Welt und ihre eigene Einsamkeit sie einholen; als sie erkennt, dass sie seit Langem erstickt, bei der Arbeit und im Privaten - da endlich rebelliert Sylvie und schreitet zur Tat. Sie verliert viel, doch fu?r eine kurze Weile fu?hlt sie sich wieder lebendig und frei.
Nina Bouraoui verleiht ihrer Heldin in einem poetischen Monolog eine Stimme, wie sie in dieser Dringlichkeit und Unmittelbarkeit nur selten zu erleben ist. Sie erzählt die Geschichte einer Gefangenschaft und einer Befreiung: kraftvoll und doch diskret, voller Feingefu?hl fu?r die seelischen Zwischentöne.